Andacht März-Mai 2022

Erstellt am 01.03.2022

„Üben!“ Als Kind und Jugendliche – großgeworden nicht weit von Selm und Bork in Haltern am See – war das nicht mein Lieblingswort.
„Geige üben!“ „Für die Schule üben!“ „Ballett üben!“. Manchmal schien es mir, als würde mein Leben aus „Üben“ bestehen. Lebenslanges Lernen ist sicher richtig, aber oft auch anstrengend. „Üben! 7 Wochen ohne Stillstand“ ist das evangelische Motto der diesjährigen Fastenzeit vor Ostern. Fasten bedeutet nicht allein Verzicht auf das, was dem Körper und dem Geist schadet: Zucker, Alkohol, Zigaretten, zu viel (Bildschirm)Konsum, sondern meint auch unsere Seele – es ist das Weglassen von etwas, das für uns als ganzen Menschen schlecht ist, weil es uns ablenkt von Gott oder einengt in den Möglichkeiten, die Gott uns gegeben hat.

Diesmal 2022 also: „7 Wochen ohne Stillstand“. „Üben ist Bewegung“ lese ich in der Einleitung zur Fastenaktion. „An jedem Tag, in jeder Situation".

Ich finde eigentlich, Bewegung ist gerade genug in meinem Leben. In unserem Leben, denn auch meine beiden jüngeren Kinder (von vier Kindern) ziehen mit mir von Hagen nach Selm und werden alles wieder neu ein-üben in einer neuen Gemeinde, einer neuen Stadt, neuen Schule – mit neuen Menschen.
Es gab durch das Studium (Wuppertal, Heidelberg und Bochum) und den Beruf (Bochum-Wattenscheid, Herscheid und Hagen) schon einige Lebensstationen in meinem und unserem Leben.

Jetzt gerade denke ich, es war viel „Üben!“, und ich wünsche mir auch Stillstand. Ich erinnere mich an einen Abend im Bibelkreis meiner vorherigen Gemeinde in Hagen. Wir lesen Evangeliumsworte: Jesus zwischen Wunderheilungen und Predigt. Und wir stellen fest, dass er sich zurückzieht zwischen seinen Terminen und Aufgaben.
Ich glaube es braucht beides: Üben und Stillstand, im Wechsel und im ausgeglichenen Maß.

Wo habe ich stillgestanden, und wo waren die Übungen in meinem jetzt 52 jährigen Leben?
Vielleicht ist dies die Frage, die uns in den Wochen vor Ostern begleitet. Ist meine und Ihre Aufteilung noch ausgeglichen? Haben wir wie Jesus Wüstenzeiten, um stillzustehen im Alltag, mit Gott zu sprechen, von Gott zu lesen, uns auf Gott zu konzentrieren? Müssen wir auch das wieder ein-üben? Oder gibt es das auch, dass wir uns aufs Üben freuen, weil zu viel Stillstand im Leben war?
 

Am 1. Februar habe ich meinen Dienst als Pfarrerin der Ev. Kirchengemeinde Selm begonnen, und es wird am Anfang sicher „Üben“ brauchen. Wie im Sport, in der Musik oder in der Schule ist Zusammen-Üben manchmal weniger allein, und ich hoffe, wir haben gemeinsame Übe-Zeit in unserer Gemeinde, in der Ökumene, in unserer Stadt. Und ruhige Zeit zum Still-Stehen, wie Jesus in der Wüste – außerhalb von allen alltäglichen Anforderungen – Zeit für Gott.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Passions- und Osterzeit.

Ihre Pfarrerin
Katrin Hirschberg-Sonnemann