Gottesdienst am 30. August 2020 12. Sonntag nach Trinitatis

Erstellt am 29.08.2020

So lautet der Wochenspruch aus Jesaja 42, 3


Ihn für mich selbst zu hören, ist die eine Glaubensherausforderung.

Ihn für diese Welt zu hören – die Andere.

Manchmal verschließe ich meine Augen vor den Bildern,

die täglich über den Fernseher auf mich einströmen.

Ich verschließe meine Ohren vor den Klagen dieser Welt .

Manchmal verschließe ich mein Herz, weil ich es kaum aushalte, das alles zu sehen und geschehen lassen zu müssen.


Der 12. Sonntag in der Trinitatiszeit handelt von Jesus, sich nicht verschließt:

der Menschen die Augen und die Ohren öffnet, der Kranke heilt.

Er handelt von der Vision einer Welt ohne Leid, von dem Ende jeder Ungerechtigkeit.

Allein das – schon ein Traum. Aber er geht noch weiter:

Dieser Sonntag erzählt von Menschen, die, angeregt vom Beispiel Jesu, andere aus der Erstarrung holen.

Menschen werden auf vielfältige Weise von Jesus berührt, verbreiten dann sein Lob und bauen nach ihren Kräften mit an Gottes Reich. Sie lassen nicht ab von dieser Vision Gottes.

Herzlich Willkommen Ihnen allen zu diesem Gottesdienst mit diesem ansteckenden Thema.



Psalm 147, 1-7

Lobet den Herrn! / Denn unsern Gott loben,

das ist ein köstlich Ding,

ihn loben ist lieblich und schön.

Der Herr baut Jerusalem auf

und bringt zusammen die Verstreuten Israels.

Er heilt, die zerbrochenen Herzens sind,

und verbindet ihre Wunden.

Er zählt die Sterne und nennt sie alle mit Namen.

Unser Herr ist groß und von großer Kraft,

und unermesslich ist seine Weisheit.

Der Herr richtet die Elenden auf

und stößt die Frevler zu Boden.

Lasst uns diesen Herrn anbete:

Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und alle Zeit und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

 

Gebet (nach Worten von Leonardo Boff)

Im Schweigen öffne ich mich dir, höre nicht nur auf mich selbst, sehe über meinen Tellerrand. Von deinem Geist erbitte ich die Kraft für alles, was mir begegnet. Komm, Heiliger Geist, du Geist der Wahrheit, die uns frei macht. Du Geist des Sturmes, der uns unruhig macht. Du Geist des Mutes, der uns stark macht. Du Geist des Feuers, das uns glaubhaft macht. Komm, Heiliger Geist, du Geist der Liebe, die uns einig macht. Du Geist der Freude, die uns glücklich macht. Du Geist des Friedens, der uns versöhnlich macht. Du Geist der Hoffnung, die uns gütig macht. Komm, Heiliger Geist! Amen


Lesung:

Wir alle haben vor 14 Tagen die Bilder aus dem Libanon vor Augen. Auch die politischen Verhältnisse wurden erläutert.

Ein Land – sowieso schon in Korruption und im Elend – muss jetzt dieses große zusätzliche Leid in Beirut erleben.

Und nun hören Sie mal die Worte der Lesung, die für heute vorgeschlagen ist; aus Jesaja 29, 17-24:

Überschrieben mit: Die große Wandlung

„Wohlan, es ist noch eine kleine Weile, so soll der Libanon fruchtbares Land werden, und was jetzt fruchtbares Land ist, soll wie ein Wald werden.

Zu der Zeit werden die Tauben hören die Worte des Buches,

und die Augen der Blinden werden aus Dunkel und Finsternis sehen; und die Elenden werden wieder Freude haben am Herrn,

und die Ärmsten unter den Menschen werden fröhlich sein in dem Heiligen Israels.

Denn es wird ein Ende haben mit den Tyrannen und mit den Spöttern aus sein, und es werden vertilgt werden alle, die darauf aus sind, Unheil anzurichten, welche die Leute schuldig sprechen vor Gericht und stellen dem nach, der sie zurechtweist im Tor, und beugen durch Lügen das Recht des Unschuldigen. Darum spricht der Herr, der Abraham erlöst hat, zum Hause Jakob: Jakob soll nicht mehr beschämt dastehen, und sein Antlitz soll nicht mehr erblassen.

Denn wenn sie sehen werden die Werke meiner Hände – ihre Kinder – in ihrer Mitte, werden sie meinen Namen heiligen; sie werden den Heiligen Jakobs heiligen und den Gott Israels fürchten. Und die, welche irren in ihrem Geist, werden Verstand annehmen, und die, welche murren, werden sich belehren lassen.

Halleluja

Ich will den Herrn loben so lange ich bin.

Halleluja


Predigt zu 1. Kor. 3, 9-17

Was ist wohl aus ihm geworden?
Aus diesem Blinden, von dem wir vor 4 Wochen gehört haben.
(War jemand da? – Im Gottesdienst am 8. Sonntag nach Trinitatis?)
(Wenn nicht: Sie erinnern sich sicher an diese Begebenheit.)

Da haben wir teilgenommen an einer wunderbaren Veränderung.
Statt auf den Blindgeborenen zu spucken oder seine Behinderung als Strafe für irgendeine Schuld zu werten, heilt Jesus diesen Mann in seinem schwarzen Loch.
Aber statt sein neues Leben zu feiern und Gott zu loben und für ihn zu tanzen und zu singen, bricht ein ungeheurer Streit darüber los, was denn da wohl passiert ist oder eben auch nicht.
An der Heilung des Blinden scheiden sich die Geister enorm!

Nur einer in dieser Geschichte streitet nicht mit.
Nur einer versucht nicht zu verstehen, was nicht zu verstehen ist.
Nur einer weiß:
Ich wurde angesehen.
Ich wurde angesprochen.
Ich wurde angerührt.
Ich wurde herausgefordert zu glauben…als ich zum See gehen sollte. Was habe ich gezittert!
Ich habe mich dafür entschieden, Schritt für Schritt für Schritt…zu gehen.
Merkwürdig war das. Ein Weg zwischen:
Nie im Leben wird das wahr… - und dieser Hoffnung, die aus der Stimme dieses Jesus in mein Herz fiel und meine Füße antrieb.
Und dann: Die Hand voll Wasser gefüllt…
Nie im Leben kann das wahr werden… und die kühle Hoffnung, mit der ich dann doch mein Gesicht wusch, die Augen wusch… und das Leben sehen konnte:
Mich im Spiegel des Wassers
Die Weite des Sees
Die Menschen um mich herum: skeptisch, ungläubig, staunend auch und einige voller Freude für mich… Und dann ging das Gezanke los:
Fake News; Betrüger… Theater das alles, denn es kann nicht wahr sein, was nicht wahr sein darf…

Ein langer Text – ein ganzes Kapitel wird diesem geheilten Menschen gewidmet. Das ist lang für biblische Erzählungen… aber dennoch kurz für sein neues Leben.

Ich hätte doch gerne gewusst:
Wie ging es denn nun weiter?
Ging der Geheilte mit…als einer der Jünger?
Blieb er umstritten, aber dafür irgendwie berühmt in seinem Umfeld, seiner Familie… mit der Geschichte seines Lebens…
Hat er was gelernt…

Ich knüpfe noch einmal an, an diesen 8. Sonntag nach Trinitatis, wo es um diesen einen ging, der durch die Begegnung mit Jesus ein Vorher und ein Nachher hatte – wie ich auch und so viele…
Ich knüpfe noch einmal an, an diesen Moment oder diese Lebensphase, die mich mit Gott zusammenbrachte… ganz zögerlich, ganz ungläubig und staunend.
Und auch an diese Momente heute…
…wo er mich wiedermal berührt…sieht…sendet…
…und ich immer noch und immer wieder genauso tastend seinem Finger folge und von ihm geschickt in die Welt gehe.

Denn nach diesen Menschen – nach uns - fragt unser Predigtabschnitt heute.
Was machst du, der du einmal von Jesus berührt wurdest.

Denn – so hören wir aus dem 1. Kor.-Brief – denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau.
Nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe ich den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf.
Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut.
Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.
Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, so wird das Werk eines jeden offenbar werden. Der Tag des Gerichts wird es ans Licht bringen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen.
Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen.
Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch.
Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?
Wenn jemand den Tempel Gottes zerstört, den wird Gott zerstören, denn der Tempel Gottes ist heilig – der seid ihr.“

Dieser Text klingt kompliziert.
Das ist meistens so, wenn Paulus den Glauben formuliert und Luther übersetzt…und Menschen 2020 diese alten Worte hören.


Aber es geht um etwas sehr Lebenspraktisches:
Jesus verändert.

Zuerst ganz persönlich…den Blinden…uns… ganz persönlich…in unseren ganz eigenen Angelegenheiten…Denkweisen…unserer Art zu leben, zu lieben, zu sein…
Er verändert von jetzt auf gleich: Augen auf/ Ohren auf…
es gibt ein vorher und nachher; ein vor Jesus und nach Jesus;
ein ohne Jesus und mit Jesus; ein tiefes Angenommensein, Getragen-sein, Von-sich-selbst-erlöst-sein; eine andere Wahrheit.

Und: er verändert ganz langsam weiter…ganz behutsam…täglich und über die Jahre…prägt…lässt uns werden…


Und unser Text heute geht die nächsten Schritte:
Geht mit dem nun Sehenden den Weg zurück in die Familie, die Gemeinde, in die Gesellschaft, die soziale und politische Gesellschaft.
Wer selber erlebt, dass Jesus im eigenen Leben Kreise zieht, wie kleiner Stein, der in den See fällt, der entwickelt eine Sehnsucht dieser Veränderung; der will, dass auch die Gesellschaft, das Dorf, die Stadt, das Land mit Gott in Berührung kommt, Veränderung erfährt, mit der Wahrheit Gottes in Berührung kommt, die frei macht.
Der will – um das mit den alten Worten der Bibel auszudrücken – das Reich Gottes bauen.
Das ist nix Frommes, Abgedrehtes, Weltfremdes…

Das ist soziales Engagement…
Das ist Politik…
Das kann Protest sein … in diesen Tagen auch der Protest gegen den Protest.
(Ich sage ja immer: evangelisch sein heißt auch protestantisch handeln…)

Das Reich Gottes in dieser Welt ist die Sehnsucht der Christen.
Keine Seifenblase! Kein Luftschloss!
Wer Sehnsucht nach dem Meer hat…bucht eine Reise:
Blättert im Katalog…
Bespricht sich mit dem Partner/der Partnerin…
Bittet vielleicht:…ach komm…lass uns doch…
Malt Bilder vor’s innere Auge, um zu überzeugen…
Kommt zufällig immer wieder am Reisebüro vorbei…
Geht dann auch rein und bucht…

Wer Sehnsucht danach hat, dass diese Welt mit Gott in Berührung kommt, wird doch auch ganz praktisch:
Blättert im Katalog…also der Bibel…schaut sich an, wie das Reich Gottes aussieht…
Bespricht sich mit Gott: beten nennen wir das…
Malt den anderen die Bilder vor Augen, von der Liebe, der Geborgenheit, dem ‚Genug‘, das Gott für uns bereit hält…der Gelassenheit… ist wie der Stein, der Sehnsuchtskreise zieht; stößt andere an…
Und handelt dann ganz konkret:
Fängt an, mit seinen Möglichkeiten und Mitteln zu bauen.
Wird Werbeträger für die Ideen Gottes.
Verknüpft sich mit anderen Gesellschaftsvisionären (Gemeinde) und bringt ein, was er hat.

Davon spricht unser Predigtext.
Der Grund für unser Leben und für unser Engagement ist gelegt:
Jesus Christus, der gekreuzigte und auferstandene Herr.
So sprechen wir es jedem Täufling zu (auch nach diesem Gottesdienst wieder):
Du gehörst zu Christus, dem gekreuzigten und auferstanden Herrn.
Daran kann keiner mehr rütteln.
An dem anderen schon – an dem was wir dann daraus machen, bauen, schon.

Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, so wird das Werk eines jeden offenbar werden. Der Tag des Gerichts wird es ans Licht bringen; denn mit Feuer wird er (Jesus) sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen.“

Das heißt: Jesus stellt uns immer in die Verantwortung für sein Reich – nicht irgendwann und irgendwo, sondern heute und jetzt.
Das heißt: Jesus selbst will sich in dem offenbaren/ zeigen/ zu erkennen geben, was wir bauen; in dem, was wir sind und tun „mit Herzen Mund und Händen“…
Und in der heutigen Zeit heißt das immer mehr:
in dem, was wir lassen; nicht mitmachen; nicht verbrauchen; nicht destruktiv zerreden; nicht essen; nicht …

Hier berührt mich der Text ja auch irgendwie unangenehm:
Da ist davon die Rede, dass es einen Tag des Gerichtes geben wird – einen Tag der Waage, des Abwägens… Das Bild des Feuers wird hier verwendet.
Jesus brennt für seine Schöpfung, seine Menschen, sein Reich…
Er wir messen, bemessen, was wir aus Liebe tun und bauen und aus Liebe lassen…
Aus Liebe von ihm und zu ihm…
Aus dieser Liebe heraus, die uns zu etwas völlig Neuem gemacht hat:
Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?
Wisst ihr nicht?
Seht ihr nicht – ich hab euch doch die Augen geöffnet für meine Farben in dieser Welt…in euren Augen soll man sie sehen.
Hört ihr nicht – ich hab euch doch die Ohren aufgetan für meine Klänge in dieser Welt…in euren Worten und eurer Stille soll man sie wahrnehmen.
Spürt ihr nicht – ich hab euch doch ein neues Herz geschenkt und einen neuen Geist…in eurer Beherztheit und eurer Begeisterung soll man neugierig werden auf mich.

Wisst ihr nicht, dass ihr der Tempel Gottes seid?
Wenn jemand den Tempel Gottes zerstört, den wird Gott zerstören, denn der Tempel Gottes ist heilig – der seid ihr.“

Zerstört das nicht, in dem ihr euch dieser Welt gleich macht – ihr seid es nicht mehr.
Wisst doch, dass ihr heilig seid… herausgenommen aus dieser Welt…
Wo ihr seid, ist Gottes Haus; Gottes Gegenwart…
Wo ihr seid, bin ich…
Was für ein Horizont ging dem Blinden da auf?
Was für eine Perspektive für uns:
Tragen wir den Horizont Gottes in diese Welt.
Nach Edeka. Ins Fitnessstudio. Zum Nachbarn. Auf den Friedhof. In die Schulen und Kitas. Ins Café. In die Krankenhäuser. Auf die Bank. In die Familie. In die sterbenden Wälder. In den Stadtrat. In unsere Kirche…Und immer wieder ins eigene Herz…
Und dann wieder von vorn…

Amen

Segen

Der Herr segne dich und behüte dich
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr erhebe sein Angesicht über dich
und gebe dir Frieden.

Vielleicht mögen Sie ein Lied anstimmen?

Ins Wasser fällt ein Stein
Ganz heimlich, still und leise
Und ist er noch so klein
Er zieht doch weite Kreise
Wo Gottes große Liebe
In einen Menschen fällt
Da wirkt sie fort, in Tat und Wort
Hinaus in uns're Welt

Ein Funke, kaum zu seh'n
Entfacht doch helle Flammen
Und die im Dunkeln steh'n
Die ruft der Schein zusammen
Wo Gottes große Liebe
In einem Menschen brennt
Da wird die Welt, vom Licht erhellt
Da bleibt nichts was uns trennt

Nimm Gottes Liebe an
Du brauchst dich nicht allein zu müh'n
Denn seine Liebe kann
In deinem Leben Kreise zieh'n
Und füllt sie erst dein Leben
Und setzt sie dich in Brand
Gehst du hinaus, teilst Liebe aus
Denn Gott füllt dir die Hand
Denn Gott füllt dir die Hand