Gottesdienst zum zweiten Sonntag der Passionszeit - Reminiszere 28.2.2021

Erstellt am 27.02.2021

Wochenspruch (Römer 5,8)

Gott erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.


Eingangsworte

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen. Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde

gemacht hat.


Eingangspsalm (Psalm 25 in Auswahl)

HERR, zeige mir deine Wege

und lehre mich deine Steige!

Leite mich in deiner Wahrheit und lehre mich!

Denn du bist der Gott, der mir hilft;

täglich harre ich auf dich.

Gedenke nicht der Sünden meiner Jugend

und meiner Übertretungen,

gedenke aber meiner nach deiner Barmherzigkeit,

HERR, um deiner Güte willen!


Gebet

Gott, du hörst nach Gerechtigkeit schreien, die Unrecht leiden.

Du kennst die Verzweiflung derer, die keinen Ausweg finden.

Erneuere die Welt durch dein Recht.

Erneuere uns durch dein Erbarmen.

Das bitten wir durch Christus, unseren Herrn und Bruder. Amen.

 

Predigt über Jesaja 5,1-7

1 Wohlan, ich will von meinem lieben Freunde singen, ein Lied von meinem Freund und seinem Weinberg. Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fetten Höhe. 2 Und er grub ihn um und entsteinte ihn und pflanzte darin edle Reben. Er baute auch einen Turm darin und grub eine Kelter und wartete darauf, dass er gute Trauben brächte; aber er brachte schlechte. 3 Nun richtet, ihr Bürger zu Jerusalem und ihr Männer Judas, zwischen mir und meinem Weinberg! 4 Was sollte man noch mehr tun an meinem Weinberg, das ich nicht getan habe an ihm? Warum hat er denn schlechte Trauben gebracht, während ich darauf wartete, dass er gute brächte? 5 Wohlan, ich will euch zeigen, was ich mit meinem Weinberg tun will! Sein Zaun soll weggenommen werden, dass er kahl gefressen werde, und seine Mauer soll eingerissen werden, dass er zertreten werde. 6 Ich will ihn wüst liegen lassen, dass er nicht beschnitten noch gehackt werde, sondern Disteln und Dornen darauf wachsen, und will den Wolken gebieten, dass sie nicht darauf regnen. 7 Des HERRN Zebaoth Weinberg aber ist das Haus Israel und die Männer Judas seine Pflanzung, an der sein Herz hing. Er wartete auf Rechtsspruch, siehe, da war Rechtsbruch, auf Gerechtigkeit, siehe, da war Geschrei über Schlechtigkeit.


Lachen und Singen ist zu hören, liebe Gemeinde, auch das Klirren von Gläsern: Sie feiern ein Fest! Denn die Ernte war gut, und so haben sie guten Grund zum Feiern. Mitten im fröhlichen Trubel steht einer auf. Ein Lied will er singen? Soll er doch! Einige kennen den Mann; Jesaja ist es, der Sohn des Amoz. Und als der anfängt mit dem Lied und von seinem Freund und dessen Weinberg singt, beginnen nicht wenige der Zuhörenden schon bei den ersten Worten zu schmunzeln. Denn was Jesaja singt, ist zweideutig, doppelbödig: Weinberg, das ist seit alters her in der Sprache der Liebe auch ein Bild für das Mädchen, das ein junger Bursche liebt und begehrt.

Gespannt warten sie daher, wie das Lied wohl weitergeht. Und als Jesaja von den Anstrengungen des Freundes singt, von den Bemühungen, die er um den Weinberg macht – umgraben, entsteinen, pflanzen -, da nicken sie fast unmerklich vor sich hin. Denn das kennen sie: Sowohl die Arbeit, die ein Weinberg macht, als auch die Liebesmüh, mit der man um ein Mädchen wirbt und seine Gunst zu erlangen sucht. Ja, das kennen sie. Und auch den Lohn der Arbeit, reiche Ernten, haben sie erlebt und Liebe, die erwidert wird.


Doch anders als erwartet singt Jesaja weiter. Und das anfängliche Liebeslied wird zum Lied einer enttäuschten Liebe: Denn alle Bemühungen des Freundes fruchten nicht! Anstatt guter Trauben bringt der Weinberg nur schlechte. Am Ende, trotz allen Mühens und Wartens: Mist statt Frucht! Wie das geschehen konnte? Woran das liegt? Nun, am Weinbergbesitzer jedenfalls nicht! Der hat getan, was man nur tun kann; mehr geht nicht. Und so ist die Frage nach dem Schuldigen schnell und ohne jeden Zweifel beantwortet: Am Weinberg liegt's und an dem Mädchen – so geht es den Leuten durch den Kopf. Und manch einer der Zuhörer empfindet so etwas wie Mitleid mit dem namenlosen Freund, dem Winzer ohne Ernte, dem unerhörten Liebhaber.

Jesaja singt weiter. Und wer insgeheim auf eine überraschende Wende (und damit auf ein glückliches Ende für den Freund und seinen Weinberg) gehofft hatte, der muss sich eines Anderen, eines Schlechteren belehren lassen. Denn der Weinbergbesitzer gibt seine Bemühungen auf – und lässt den Weinberg liegen. Kümmert sich nicht mehr, sorgt sich nicht mehr um ihn. Überlässt ihn sich selbst. Ach, ja – so höre ich einen der Festgesellschaft seufzen. Das ist nicht schön. Aber das ist das einzig Richtige: Den Weinberg liegen lassen; dem Mädchen den Laufpass geben und versuchen, es so bald wie möglich zu vergessen, wenn alle Arbeit und alle Liebesmüh vergeblich ist. Ach, ja: er seufzt nochmals. Ein trauriges Ende für ein Lied, das so vielversprechend begonnen hat...


In einem irrt er sich freilich: Das Lied ist noch nicht zu Ende! Jesaja singt es weiter, und er gibt dem Weinberg einen Namen. Israel nennt er ihn, Gottes auserwähltes und geliebtes Volk. Und der Freund im Lied ist niemand anderes als Gott selbst, dessen Geschichte mit seinem Volk als die Geschichte einer schmerzlich enttäuschten Liebe besungen wird.

Gott lässt seinen Weinberg liegen, überlässt sein Volk sich selbst, weil all sein Locken und Werben, sein Mahnen und Warnen nicht fruchten. Weisungen und Gebote, die ein friedliches und gerechtes Miteinander der Menschen befördern und sichern sollen, werden nicht beachtet. Gott wartete auf Rechtsspruch, siehe, da war Rechtsbruch. Gott wartete auf Gerechtigkeit, siehe, da war Geschrei über Schlechtigkeit. Diesen Hilferuf der politisch und wirtschaftlich unter die Räder Geratenen kann der Gott Israels nicht einfach ignorieren, an ihrer Not kann er nicht einfach vorbeigehen, ohne seine Gottheit aufs Spiel zu setzen.


Wie werden die Zuhörer auf das Lied des Jesaja reagiert haben? Manche werden nur leicht die Schulter gezuckt haben. Spinner, das werden sie von dem Sänger gedacht und eventuell auch zu ihm gesagt haben. Ein weltfremder Spinner, dessen moralische Ansprüche viel zu hoch sind, und der mit seiner Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen ziemlich alleine dasteht. Ihnen, das können sie ihm versichern, wird er das Feiern heute und das So-wie-bisher-weiter-Machen morgen nicht madig machen! - Andere werden einen roten Kopf bekommen haben; vom Wein, aber vor allem vor Erregung und Empörung. Was bildet dieser junge Schnösel sich nur ein, sie mit schlechten Trauben zu vergleichen? Mit Trauben, die zu nichts taugen; aus denen und mit denen man nichts machen kann? Nun, sie seien gewiss keine Heiligen; weder fehler-frei im alltäglichen Leben noch super-fromm in kultischen Angelegenheiten. Aber schlecht, durch und durch schlecht: Das sind sie nicht! - Und einige der Zuhörer werden auch erschrocken gewesen sein. Darüber, dass das Lied des Jesaja von der Gerechtigkeit, die in ihrem Land auf der Strecke geblieben ist, gar nicht so falsch ist. Und dass die Frage, wie lange Gott sich das noch tatenlos anschauen wird, gewiss nicht angenehm, aber auch nicht unberechtigt ist.


Später, viel später (nachdem die Assyrer dem Nordreich Israel ein Ende gemacht hatten und auch das Südreich Juda von den Babyloniern besiegt worden war) wurde das Lied Jesajas vom unfruchtbaren Weinberg weiter überliefert und in die Sammlung der Bücher aufgenommen, die zur Bibel wurden. In Israel verstand man das Lied nun nicht mehr als Androhung des künftigen Untergangs, sondern als Prophezeiung des mittlerweile eingetretenen Gerichtes über Gottes geliebtes und doch so widerspenstigen und schuldig gewordenen Volkes. Und man hoffte, dass Gottes Liebe zu seinem Volk noch nicht erkaltet ist - und die Liebes-Geschichte weiter geht.


Und heute? Da hoffen wir, Christen aus den Heidenvölkern, die durch den Messias Jesus zu Miterben der Verheißungen geworden sind, gemeinsam mit Israel, dass Gott die Welt (und die Menschen in der Welt) nicht sich selbst überlassen möge! Wir verstehen, in der Passionszeit noch deutlicher als sonst, wie enttäuscht, wie verletzt Gott darüber ist, dass sein Werben und Buhlen ohne Resonanz bleibt. - Wir staunen darüber, dass unsere Frage nach der Gerechtigkeit Gottes (also danach, wie Gott all das Schlimme und Böse in der Welt zulassen kann), hier umgekehrt wird: Am Weinberg liegt es, wenn die Erde zur lebensfeindlichen Wüste wird und ihre Bewohner vor Not aufschreien. An uns, nicht an Gott. Wie können WIR das zulassen?!? - Und wir hoffen, dass Gott seinen Weinberg nicht preisgeben wird, solange das Lied von der enttäuschten Liebe Gottes Mit-Sänger und Zuhörer findet. Menschen, die sich erinnern an Gottes lebensschaffende Worte. Menschen, die Rechtsbruch meiden und Rechtsspruch ersehnen. Menschen, die mittrauern und untröstlich sind, solange Schlechtigkeit das letzte Wort hat und nicht: Gnade. Barmherzigkeit. Gerechtigkeit. Amen.


Fürbittengebet (nach eg 877)

Du Gott des Friedens, barmherziger Vater im Himmel:

Wir hören von Krieg und Unfrieden,

Gewalt siegt über Recht,

und wer die stärkeren Waffen hat,

behält das Sagen.

Wir erleben Unfrieden und Hass

ganz in unserer Nähe

und auch bei uns selbst.

Wir tragen unseren Teil

zu Streit und Unfrieden auf der Welt bei.

Wir bitten dich:

Gib uns deinen Frieden,

dass er unser Denken und Tun bestimmt.

Gib uns deine Hoffnung,

dass wir uns nicht abfinden mit Mord und Totschlag,

Hass und Ungerechtigkeit.

Gib uns deine Liebe,

dass wir an der Not der Menschen nicht vorübergehen,

sondern mutig anfangen,

im Licht deiner Güte zu leben.


Vater unser im Himmel ...


Bitte um Gottes Segen

Gott segne uns und behüte uns.

Gott lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig.

Gott hebe sein Angesicht auf uns und gebe uns Frieden. Amen.


Liedvorschläge

Du schöner Lebensbaum des Paradieses (eg 96; Wochenlied)

Du bist meine Zuflucht (lieder zwischen himmel und erde, 201)