Gottesdienst am 23. August 2020 11. Sonntag nach Trinitatis

Erstellt am 23.08.2020

Wochenspruch (1. Petrus 5,5b):

Gott widersteht den Hochmütigen,

aber den Demütigen gibt er Gnade

 

Eingangspsalm (Psalm 145):

Gnädig und barmherzig ist der HERR,

geduldig und von großer Güte.

Der HERR hält alle, die da fallen,

und richtet auf, die niedergeschlagen sind.

Der HERR ist gerecht in allen seinen Wegen

und gnädig in allen seinen Werken.

Der HERR ist nahe allen, die ihn anrufen,

allen, die ihn mit Ernst anrufen.

Er tut, was die Gottesfürchtigen begehren,

und hört ihr Schreien und hilft ihnen.

Gnädig und barmherzig ist der HERR,

geduldig und von großer Güte.

 

Gebet:

Du kennst uns, Gott -

mit unserem Stolz und mit unserem Verzagen.

Sieh uns gnädig an,

damit wir vertrauensvoll glauben und leben können.

Durch Jesus, den Christus, unseren Herrn und Bruder.

Amen.

 

Predigt (über Lukas 18,9-14):

Jesus erzählt ein Gleichnis, liebe Gemeinde. Ein Gleichnis von zwei Menschen, von zwei Männern. Der eine ist ein Pharisäer; also ein frommer Mensch, der die Gebote Gottes ernst nimmt und sich in seinem Leben daran hält. Der andere ist ein Zöllner; ein Zolleintreiber also, der mit der unbeliebten römischen Besatzungsmacht zusammenarbeitet und darum von vielen gemieden und verachtet wird.

Jesus erzählt ein Gleichnis. Ein Gleichnis, in dem es um das Übel des Vergleichens geht. Darum, dass wir Menschen unser Selbst anscheinend nicht anders aufbauen können, als andere klein zu machen um uns dann um so leichter von ihnen abheben zu können. Tüchtiger, schöner, erfolgreicher, frommer, strebsamer, kurz: einfach besser sein als die Anderen, gleich auf welchem Gebiet! Wer in diesem ständigen Konkurrenzkampf nicht von vornherein die Verliererin, der Looser, sein will, sieht sich wohl oder übel gezwungen, mitzumachen. Zu versuchen, wenigstens genau so gut oder, nach Möglichkeit, noch besser zu sein. Und so die Anderen schlecht aussehen zu lassen. Für solch hehren Dinge wie Freundschaft, wie Verständnis, wie Solidarität ist in diesem unerbittlichem Spiel kein Platz.

Auch nicht für Erbarmen – nicht einmal mit den Erfolgreichen. Denn auch die werden um den Erfolg ihrer Anstrengungen betrogen. Im Grunde geht es ihnen ja gar nicht um die einzelne Leistung, sondern um die Gewissheit, etwas wert zu sein. Soviel wert, dass die Anderen sie anerkennen, mögen, wertschätzen. Soviel wert, dass die leise Hoffnung besteht, dass auch Gott sie wertschätzen möge. Und so kämpfen sie dann, verbissen, mit Tricks und unter Tränen, um jedes noch so kleine Stückchen vorzeigbarer Eigenleistung. Das vergleichende Schielen nach links und nach rechts wird dabei zwanghaft. Und es hält solange an, wie die Aussicht besteht, dass ein solches Vergleichen zu eigenen Gunsten ausfällt: Ich bin nicht so wie die anderen Leute, Gott sei Dank!

Wer bei diesem Kampf des Konkurrierens und Vergleichens siegt: der braucht zu seiner Wertschätzung Gott nicht mehr! Denn Barmherzigkeit hat er nicht nötig, und gerecht geht es aus seiner Sicht auch ohne Gott zu. Barmherzigkeit ersehnen, um Gnade bitten: das kann nur der, der nichts (mehr) hat, womit er sich vergleichen kann. Der schon vor Spielbeginn verloren hat. Jemand wie der Zöllner. Dessen Dauer-Negativ-Bilanz löst den Zwang des Sich-Vergleichen-Wollens. Und macht ihn frei, aus diesem unbarmherzigen Spiel auszusteigen. Er steht außerhalb des Spielfelds; hebt seine Augen nicht auf (und sieht den, der ihn seinerseits so fest im Blick hat, nicht einmal); und bekennt sich ohne jedes Schönreden zu seiner Lage: Gott, sei  mir Sünder gnädig!

Der nichts vorzuweisen hat; jemand ohne Wert; eine Null nach üblicher Meinung: Gerade dem und nur dem wird so der Weg frei für die Erfahrung, nach der der Pharisäer sich so sehr sehnte, die Erfahrung der Wertschätzung und des Interesses Gottes. Er ging „gerechtfertigt“ in sein Haus zurück, so heißt es von dem Zöllner. Und ich höre daraus, dass er erleichtert, entlastet, und bei aller kritischen Selbsteinschätzung doch einig mit sich selbst und also glücklich umkehrte.

Und der Pharisäer? Manchen Übersetzungen zufolge ging er nicht gerechtfertigt nach Hause; nach anderen Übersetzungen wurde auch er von Gott gerechtfertigt, freilich „weniger“ als der Zöllner.  Es ist also unklar, ob auch er ein Gnadenwort zu hören bekommen hat. Aber ein Sterbenswörtchen ist nicht zum Pharisäer gesprochen worden. So dass auch er die Möglichkeit hat, auszusteigen aus diesem furchtbaren Spiel. Und so schlecht sind die Chancen für ihn gar nicht mal: wo er doch jetzt, nach dem Weggang des Zöllners, alleine und das heißt ja ohne Konkurrenten dasteht.

Amen. 

 

Lied (Meine engen Grenzen, eg 600):

1. Meine engen Grenzen, / meine kurze Sicht bringe ich vor dich. / Wandle sie in Weite: / Herr, erbarme dich. / Wandle sie in Weite: / Herr, erbarme dich.

2. Meine ganze Ohnmacht, / was mich beugt und lähmt, bringe ich vor dich. / Wandle sie in Stärke: / Herr, erbarme dich. / Wandle sie in Stärke: / Herr, erbarme dich.

3. Mein verlornes Zutraun, / meine Ängstlichkeit bringe ich vor dich. / Wandle sie in Wärme: / Herr, erbarme dich. / Wandle sie in Wärme: / Herr, erbarme dich.

4. Meine tiefe Sehnsucht / nach Geborgenheit bringe ich vor dich. / Wandle sie in Heimat: / Herr, erbarme dich. /  Wandle sie in Heimat: / Herr, erbarme dich.