Gottesdienst am 6. September 2020 13. Sonntag nach Trinitatis

Erstellt am 06.09.2020

Wochenspruch (Matthäus 25,40b):

Christus spricht: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.


Eingangspsalm (Psalm 112,5-7.9):

Selig sind die Barmherzigen,
denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. (Matthäus 5,7)
Wohl dem, der barmherzig ist und gerne leiht
und das Seine tut, wie es recht ist!
Denn er wird niemals wanken;
der Gerechte wird nimmermehr vergessen.
Vor schlimmer Kunde fürchtet er sich nicht;
sein Herz hofft unverzagt auf den HERRN.
Er streut aus und gibt den Armen;
seine Gerechtigkeit bleibt ewiglich.
Selig sind die Barmherzigen,
denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. (Matthäus 5,7)


Gebet:

Heiliger Gott,
Dein Gebot hilft uns zum Leben.
Zeige uns, was unsere Nächsten brauchen,
und hilf uns, ihnen zur Seite zu stehen
in der Kraft der Liebe,
die Du uns schenkst durch Jesus Christus.
Amen.

 

Wochenlied: Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht (eg 667)

1. Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht / und das Wort, das wir sprechen, als Lied erklingt, / dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut, / dann wohnt er schon in unserer Welt. / Ja, dann schauen wir heut schon sein Angesicht / in der Liebe, die alles umfängt, / in der Liebe, die alles umfängt.

2. Wenn das Leid jedes Armen uns Christus zeigt / und die Not, die wir lindern, zur Freude wird, / dann hat Gott unter uns ...

3. Wenn die Hand, die wir halten, uns selber hält / und das Kleid, das wir schenken, auch uns bedeckt, / dann hat Gott unter uns ...

4. Wenn der Trost, den wir geben, uns weiter trägt / und der Schmerz, den wir teilen, zur Hoffnung wird, / dann hat Gott unter uns ...

5. Wenn das Leid, das wir tragen, den Weg uns weist, / und der Tod, den wir sterben, vom Leben singt, / dann hat Gott unter uns …


Predigt (über Apostelgeschichte 6,1-7):

Streit kommt in den besten Familien vor. Auch in der ersten Christen-Gemeinde, der sog. Ur-Gemeinde zu Jerusalem. Ein Murren wird dort laut: Anzeichen dafür, dass etwas nicht stimmt. Zwei verschiedene Gruppen werden sichtbar. Die hebräischen Juden; also Judenchristen, die in Israel geboren wurden und die hebräisch sprechen. Und die griechischen Juden; Judenchristen, die außerhalb Israels zur Welt gekommen sind, wo griechisch gesprochen wird, und die aus unterschiedlichen Motiven heraus nach Jerusalem gekommen sind: weil sie sich dort ein besseres Leben versprechen – weil sie in der Heimat der Väter leben möchten – weil sie dort einst sterben und begraben werden möchten.

Die Witwen der griechischen Juden, dies ist nun der Anlass des Streites, werden bei der täglichen „Diakonie“ übersehen. Mit „Versorgung“ übersetzt das die Luther-Bibel, womit wohl die Verteilung von Nahrungsmitteln an Bedürftige gemeint ist. Dass gerade die Witwen der „Griechen“, also der Zugewanderten, bei der Versorgung mit dem zum Leben Notwendigen auf fremde Hilfe angewiesen waren, ist nicht unwahrscheinlich; hatten sie doch nur in den seltensten Fällen Verwandte in Jerusalem, waren also ohne materielle Unterstützung durch die Großfamilie. Und aus der Almosenpflege der jüdischen Gemeinde fielen sie, als Anhängerinnen des Christus-Glaubens, wohl auch heraus. - Wie gesagt, so kann es gewesen sein: Ein sozialer Missstand in der Gemeinde, für den die 12 Apostel als Gemeindeleitung eine Lösung suchen. Damit sie ihren Dienst (die „Diakonie des Wortes“) nicht vernachlässigen müssen, schlagen sie der versammelten Gemeinde die Einrichtung eines neuen Dienstes vor, der „Diakonie an den Tischen“, wozu sieben andere ausgewählt werden sollen. Die Menge ist mit diesem Vorschlag einverstanden, und so werden die Sieben gewählt. Diakone, die für die Sozialfürsorge in der Gemeinde zuständig sind und dafür, dass Bedürftige nicht mehr übersehen werden.

Seltsam ist freilich, dass im Folgenden zumindest zwei der Sieben, nämlich Stephanus und Philippus, sich nicht wie Fürsorger verhalten. Vielmehr predigen und taufen sie wie die Apostel auch – so, als gehöre zu ihrem Dienst „an den Tischen“ der Dienst „des Wortes“ dazu! Wenn das zutrifft, dann geht es bei dem Streit womöglich gar nicht um einen sozialen Missstand; also um das Übersehen von Bedürftigen. Diakonie bedeutet ursprünglich Hausarbeit. Und da in den gottesdienstlichen Versammlungen der ersten Christen das Herrenmahl noch mit einem richtigen Essen verbunden war, war für die täglichen Zusammenkünfte eine Menge Hausarbeit erforderlich: Gemüse musste vorbereitet werden, Geschirr gereinigt, der Boden gefegt; zudem galt es, die Anwesenden beim Mahl zu bedienen. An dieser Diakonie, der Hausarbeit, beteiligten sich in der Christengemeinde alle: Männer wie Frauen, Freie wie Sklaven, Juden wie Griechen. Vermutlich ging der Tischdienst reihum: mal war die Gruppe zuständig, am nächsten Tag die – wie auch der Wortdienst von allen wahrgenommen wurde. Zumindest in der Theorie – aber in der Praxis? Dass Frauen im Gottesdienst das Gesetz und die Propheten auslegen und weissagen, das wird manchen (Männern) schon nicht gefallen haben. Aber dass Männer typische Frauenarbeit machen sollten, einschließlich der Bedienung dieser griechisch quatschenden Weibsbilder, das ging dann doch zu weit.

So könnte es also auch gewesen sein: Die 12 Apostel und andere hebräische Männer drücken sich vor der Diakonie der Hausarbeit, indem sie die Witwen der Griechen „übersehen“ und bei Tisch einfach nicht bedienen. Das Wort Jesu vom Größten, der wie ein Diener sein soll, ließ sich freilich nicht so einfach aus der Welt schaffen. Und so begründen die Herren ihren Vorschlag, künftig vom Tischdienst befreit zu werden, mit ihrer Arbeitsüberlastung: Die Gemeinde wachse, sie hätten so viel zu tun mit Aufgaben der Leitung, da könnten sie nicht auch noch die Hausarbeit machen. Und die Anderen; die Griechen und vor allem deren Witwen? Sie stimmen diesem Vorschlag zu. Nicht vor Begeisterung, da bin ich mir sicher. Sondern aus der Sorge heraus, dass andernfalls der gemeindliche Zusammenhalt verloren gehe.

Streit kommt in den besten Familien vor. Schade, dass wir das Streiten weitgehend verlernt haben. Dann geschieht nämlich das, was passiert, wenn nicht gestritten wird. Dann herrscht an der Oberfläche eitel Sonnenschein, aber darunter brodelt und gärt es. Und irgendwann kommt es zum Knall... Besser also: Streiten! Miteinander reden, bevor es zu spät ist. Die eigenen Wünsche mitteilen; die des Anderen anhören und bedenken. Und dann, gemeinsam, nach einer Lösung suchen: Einem Konsens, den alle mittragen können. (Und selbst, wenn es nicht zu einer Einigung kommt, ist das Streiten nicht umsonst: Lernen wir doch unsere eigenen Ziele und Motive besser zu verstehen und die des Anderen auch.) Streiten ist nicht der schlechteste Dienst, den Christen der Welt und sich selbst erweisen können. Denn die Alternative hieße ja: nicht miteinander zu reden; sich auseinander zu leben. Einheimische hier und Neuzugezogene da. Männer so und Frauen anders. Reiche oben und Bedürftige unten. Neu wäre das nicht. Erstrebenswert schon gar nicht. Wäre vielmehr das Ende des Versuchs, dass Menschen anders zusammenleben: Als Einheit in aller Vielfalt und Verschiedenheit. Als Leib Christi. Amen.


Fürbitten:

Barmherziger Gott,

lass uns im Geiste Jesu Christi miteinander leben. Wir bitten Dich um Umsicht und Liebe. Wo jemand übersehen wird, sei uns Auge. Wo jemand trauert, sei uns Trost. Wo jemand ausgegrenzt oder gedemütigt wird, sei uns Liebe. Wo jemand meint, alles schultern zu müssen, sei uns Hilfe. Lasse uns aufstehen jeden Tag – im Glauben, der uns trägt in Deine Welt. Amen.